Te Vara Nui Show Tourist Trap!

Jetzt ist es passiert. Ich glaube, ich bin in eine Touri-Falle getappt. "Schau Dir unbedingt eine Maori-Show an!" haben sie gesagt. Eine "ausgezeichnete" Show, Tourism Award Winner blablabla, ist mir schon vor meiner Abreise immer wieder bei der Reiserecherche über den digitalen Weg gelaufen. Die teuerste auf der Insel, irrtümlicherweise bin ich davon ausgegangen, dass das für Qualität steht. Tut es nicht. Klar, ein Haufen Leute war beteiligt: Tänzer, Trommler, Köche, Servicepersonal, Fahrer... aber irgendwie war's halt doch ein Disney-Musical auf vermeintlich authentischem aber wahrhaftig künstlichem Terrain, jeder Witz einstudiert und jede Bewegung geplant. Es ist vielleicht vermessen, anzunehmen, dass "die Wilden, die Eingeborenen" aus Spaß für ihr Gäste tanzen - und trotzdem hätte ich mir das Pseudospektakel sparen können und das Geld dafür lieber an die wundervolle Kirchengemeine spenden sollen, deren Gottesdienst ich am Sonntag besuchen durfte. 

Aber alles der Reihe nach. "Pick-up time is 3:50pm", ach wie nett, dachte ich noch, die holen mich ab und bringen mich wieder nach Hause. Auf der Insel gibt es keine Straßenbeleuchtung und sobald die Sonne untergeht ist es stockfinster. 

Als um kurz nach 4 noch immer kein Bus/Van/Shuttle/wasauchimmer da war, zitierte ich in Gedanken meinen mexikanischen Freund und Ex-Nachbarn Mario: "Stop being so German!" sagte ich also zu mir und stellte mich auf "Island Time" und einen entspannten, lockeren Abend ein. Plötzlich kam ein etwas zu klischeehafter Wagen mit Palmwedeldach ums Eck, auf ihm ein paar etwas zu klischeehafte Touristen, manche mit Bierdosen in den Händen. "Hey, halt nicht vor mir an, sonst sieht mich der Fahrer nicht, der mich zur authentischen Tanzvorführung bringen soll und ich verpasse ich meinen Shuttle...", dachte ich noch. Nö, das war der Shuttle. "Fuck. Touri-Scheisse." Gequält lächelnd nahm ich Platz und freute mich extraorbitant, am anderen Ende der Welt zu sein wo mich niemand kennt. Nachdem wir noch ein paar Klischee-Touris an den großen Resorts aufgenommen hatten auf dem Weg um die Insel kamen wir am Veranstaltungsort an und wurden mit Ketten aus kleinen Muscheln und einem complimentary drink begrüßt. Bubbles, Blubberwasser gab's und weil ich kaum Alkohol trinke, war mir nach dem ersten Schluck erstens schummrig und zweitens alles egal. "Die Wilden" begrüßten uns sicher nicht so, wie es Wilde eben so tun, sondern so, wie Touristen es von ihnen erwarten: mit Gebrüll und großen Augen ging das Drama los. "Kia Orana! Everybody say Kia Orana!" - "Kia Oran-na!!" hallte es aus den angetrunkenen Neuseeländischen und Amerikanischen Kehlen und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ein pathetischer Monolog auf Maori folgte, den ich für mich frei so übersetze: "Hallo ihr Idioten, die blöd genug waren, die abgedroschenste Show auf der Insel zu buchen, wir ziehen hier die gleiche Nummer durch wie jeden Abend, denkt bloß nicht, dass wir Polynesier wirklich so sind, das läuft hier alles nach Drehbuch." Selig grinsende Saufgesichter um mich rum. Der Ballermann der Südsee quasi. Wirklich herzzerreißend. 

Die Tour durchs "Cultural Village" führte durch verschiedene Hütten, in denen Menschen in verschiedenen Kostümen ihren Text abspulten und eine durchchoreografierte, abgespeckte Version einer möglichen Geschichte der Cook Islands präsentierten. 

Seltsam: um mich rum schienen alle begeistert zu sein und brüllten in jeder Hütte aufs Neue "Kia Orana" zurück, wenn jedes Mal wieder dazu aufgefordert wurde. Facepalm. 

Immerhin habe ich ein paar Sachen gelernt: Rarotonga ist seit ca 500/600 nach Christus bewohnt, seit ca 1200 gibt es die innere Ringstraße um die Insel, an der bis heute nur Privathäuser stehen und keine Hotels oder Resorts. 


Der Ort, an dem das Spektakel stattfand, war gut getarnt und sah auf den ersten Blick tatsächlich so aus, wie ausgebuddelt und neu belebt, so, als wäre jemandem an der Maori-Tradition gelegen. Die Entstehungsgeschichte war gespickt mit Worten wie "long family history", "our ancestors built this stunning place and the beautiful garden" - in Wirklichkeit hatten Einwanderer im Jahr 2005 (!) das Gelände gekauft und wollten eigentlich ein Boutique-Hotel dort bauen. Lukrativer war dann aber doch ein polynesisches Disneyland mit All you can eat Buffet und einer "authentic quisine Island Style Buffet" die aus Sushi, Kartoffelwedges und zum Dessert Tiramisu und Panna Cotta bestand. Thanks but no thanks. 


Vielleicht liegt es daran, dass ich selber mal in Walt Disney World gearbeitet habe und daher weiß, wie sowas läuft und eben auch, wie was hinter den Kulissen abläuft. Vielleicht liegt es daran, dass ich einfach kein typischer Tourist bin und dank vieler Reisen einen anderen Horizont habe. Aber das war wirklich gruselig und schwer aushaltbar. "I really don't know what to say! In Germany we call it 'Fremdschämen'", ist mir rausgerutscht als mich eine beschwipste Neuseeländerin fragte, ob ich es auch so amazing finde wie sie. "Yes, isn't it?" sagte sie bierselig und brüllte gleich wieder "Kia Orana" als das Publikum zum zwölften Mal innerhalb der ersten halben Stunde dazu aufgefordert wurde. 

Das authentic Island Style Buffet war absolute Massenabfertigung, hätte ich vorher nicht Ika Mata probiert, ich hätte kein Bedürfnis, das noch einmal in meinem Leben zu essen. Wie Kartoffelsalat aus der Dose mit möglichst flachem, unspezifischem Geschmack, glattgebügelt für Touristen die auch in der Fremde am liebsten zu McDonalds gehen. 


Ich weiß nicht, was ich vorher von der Erfahrung erwartet hatte. Definitiv nicht das. 

Ich schlaf mal ne Nacht drüber, vielleicht denke ich dann anders. 


(Update: Nö, tu ich nicht.)

Kommentar schreiben

Kommentare: 0